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Gesetzliche Grundlagen

Begriff der Barrierefreiheit in der IT

Im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) §4 ist der Begriff IT-Barrierefreiheit wie folgt verankert: "Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen sowie Kommunikationseinrichtungen sind barrierefrei, wenn sie für behinderte Menschen, in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind."

UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)

Das "Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (Convention on the Rights of Persons with Disabilities - CRPD) das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen wurde trat am 3. Mai 2008 in Kraft. In Artikel 21 wird das Recht von behinderten Menschen sich Informationen und Gedankengut frei zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben behandelt. In Artikel 9 Absatz 1 verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen den Zugang zu Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offen stehen oder für sie bereit gestellt werden, zu gewährleisten.

Die Umsetzungen dieser Vorgaben in nationales Recht werden durch Erweiterungen im Behindertengleichstellungsgesetz weitgehend übernommen.

Behindertengleichstellungsgetz (BGG)

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) aus dem Jahr 2002 ist unter der Vorgabe der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in 2016 angepasst worden. Am 10. Juli 2018 sind weitere Änderungen im BGG in Kraft getreten, welche die Barrierefreiheit in der öffentlichen Verwaltung des Bundes weiter verbessert haben.

Mit den Verbesserungen der Barrierefreiheit innerhalb der Bundesverwaltung im Bereich Informationstechnik sind die Vorgaben der UN-BRK in nationales Recht weiter angepasst worden.

EU-Richtlinie 2016/2102

Die EU-Richtlinie 2016/2102 beinhaltet für alle EU-Mitgliedsstaaten einheitliche Vorgaben für die Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Am 23.12.2016 ist die Richtlinie in Kraft getreten wobei unterschíedliche Übergangsregelungen und Fristen beachtet werden müssen.

Dort werden auch Weiterbildungen und Seminare-Programme eingefordert. Zitat aus Artikel 7, Absatz 4:

(4) Die Mitgliedstaaten fördern und erleichtern Schulungsprogramme im Zusammenhang mit dem barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen für die einschlägigen Interessenträger und das Personal öffentlicher Stellen; die Programme sollen die Interessenträger und das Personal öffentlicher Stellen im Hinblick auf die Erstellung, Verwaltung und Aktualisierung barrierefrei zugänglicher Inhalte von Websites und mobilen Anwendungen schulen.

Unser umfangreiches Seminar-Angebot können Sie hier einsehen.

Nationale Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/2102

Das "Gesetz zur [...] Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen" beinhaltet Änderungen im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sowie der BITV aufgrund der Vorgaben aus der EU-Richtlinie 2016/2102 und ist im Juli 2018 in Kraft getreten.

European Accessibility Act

Mit dem im April 2019 verabschiedeten European Accessibility Act , Kapitel 1, Art 1, wird die Verpflichtung nach Barrierefreier Software auch für ausgewählte Geltungsbereiche in der freien Wirtschaft, wie zum Beispiel: Telekommunikation, Medien, Bankdienstleistungen und Beförderungsdienste ausgeweitet. Die Einschränkung auf web-basierte oder mobile Anwendungen besteht dann nicht mehr. Die Vorgabe erreicht dann teilweise auch privatwirtschaftliche Unternehmen und gilt nicht mehr nur für öffentliche Verwaltungen. Da es sich um eine Europäische Richtline handelt, müssen diese erst in nationales Recht umgesetzt werden. Hierzu ist der 22.Juni 2022 als Frist für eine nationale Gesetzgebung vorgegeben. Bis 2025 sind diese Gesetze dann anzuwenden. Bei einer Richtlinie haben die Staaten einen Spielraum welchen Umfang sie davon umsetzen.

Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV)

Für die Behörden des Bundes und der Länder, soweit sie Bundesrecht ausführen, wurde die barrierefreie Gestaltung in der Kommunikationshilfenverordnung, der Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung und der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung (BITV) konkretisiert und zuletzt am 21.05.2019 geändert. Die BITV ist dabei eine Verordnung, welche aufgrund §12 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) erlassen wurde. Basis und Grundlage der BITV ist die harmoniserte Europäischen Norm 301 549, welche auch die Richtlinien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) übernommen hat.

Euro-Norm 301 549

Vom Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) wurde die EN 301 549 mit dem Titel "Anforderungen an die Barrierefreiheit für öffentliche Beschaffung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen in Europa" formuliert. Darin ist im "Kapitel 9 - Web" bereits die neuste Fassung der WCAG 2.1 eingearbeitet worden. Im Rahmen der letzten Änderung der BITV vom 21.05.2019 wurde diese EN 301 549 vollständig eingebunden.

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)

Die WCAG 2.1 ist eine W3C-Empfehlung mit Richtlinien zur barrierefreien Erstellung von Web-Inhalten. Diese Richtlinie kann mit der Anleitung WCAG-ITC weitgehend auch auf Nicht-Web-Anwendungen angewendet werden. Die WCAG unterscheidet zwischen Konformitätsstufen. Die Stufen A und AA der WCAG sind als als Muss- und Soll-Kriterien definiert. Eine Anwendung ist demnach WCAG AA-Konform, wenn alle Erfolgskriterien der WCAG mit der Konformitätsstufe A und AA erfüllt sind.

Nachweis der Barrierefreiheit

Eine Bewertung der Barrierefreiheit auf Basis der zugrundeliegenden Normen ist aufgrund fehlender Grenzwerte für Laien nicht immer möglich. So existieren aktuell nur für Schriftgrößen oder Kontraste klare Werte, die nicht unterschritten werden dürfen. Das sind aber nur 2 Prüfschritte von vielen. Es erfordert viel Erfahrung eine Anwendung aus Sichtweise der unterschiedlichsten Behindertengruppen zu bewerten und einzuschätzen. Dazu gehören tiefgehende Kenntnisse der eingesetzten Hilfsmittel wie Screenreader oder Vergrößerungssoftware sowie Kenntnisse über deren üblichen Konfigurationsmöglichkeiten oder denen des Betriebssystems.

Auch reicht es nicht aus den unterschiedlichsten Verordnungen, Normen und Richtlinien wie WCAG2.0, WCAG 2.1, BITV 2.0, ISO- 9241-10, 9241-11, 9241-110, 9241-171, EN 301 549 u.v.a. zu kennen. Die Erfolgskriterien müssen auch korrekt angewendet und bewertet werden. Dafür sind jahrelange Erfahrungen und Kenntnisse aus den Bereichen Behinderungseinschränkungen, Assistive Hilfsmittel, Software-Entwicklung, Software-Ergonomie etc. erforderlich um eine zuverlässige Aussage bezüglich der Barrierefreiheit einer Anwendung vorzunehmen.

Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass reine White-Box-Tests (Überprüfung des Quelltextes) nicht ausreichend sind. Ein Test muss auch praxisnah mit dem Einsatz von assistiven Hilfsmitteln (Screenreader, Vergrößerungssoftware, Braillezeile etc.) durchgeführt werden. Nur dadurch wird gewährleistet, dass eine Software auch im Wirkbetrieb von Menschen mit Behinderungen genutzt werden kann.

Die Bewertung einer Anwendung mit einer Prozent- oder Punkteangabe (Scoring) kann nur eine grobe Einschätzung zur „Allgemeinen Barrierefreiheit“ widergeben. Eine Aussage zum Grad der Barrierefreiheit für blinde Menschen, Gehörlose, motorisch eingeschränkte Anwender oder Sehbehinderte kann damit nicht eingeschätzt werden, da ein gemeinsamer Scoring-Wert nicht den wirklichen Zustand bzw. die Zugänglichkeit einer Anwendung für jede Behinderungsgruppe widerspiegelt.


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